Autor: Cristo Fe Crespo Soro
Kurzgeschichte: Hallo, Mister Troll! – Teil 3
Breitbeinig und mit den Händen am Hinterkopf standen Ocho und Janus auf dem Platz, umgeben von einem halben Dutzend Bewaffneter der Knight Errant Security.
Während der Elf sich nichts anmerken ließ, einzig sein Atem flacher als sonst ging und seine Handknöchel weiß wie Schnee waren, war der Satyr ein absolutes Nervenbündel.
Immer wieder wanderte sein Blick von den auf sie gerichteten Waffen zu der brennenden Halle, in der ihre Freunde verschollen waren. Es war viel zu viel Zeit vergangen. Da war etwas grundlegend schiefgelaufen. Robin und Debi mussten auf ein unerwartetes Hindernis gestoßen sein.
Ob sie noch lebten?
Einige Meter entfernt, waren die Leute der Hanse Security GmbH gerade damit beschäftigt, drei faszinierende Ruhrmetall Protector Drohnen einsatzbereit zu machen, mit denen sie nach ihren Freunden und der Orkfamilie suchen wollten.
Ein Anblick, den die unzähligen Zuschauer mit Jubel und Applaus quittierten, sowie die Schar News-Scout Drohnen über ihren Köpfen speziell interessierte, die wie Bienen um köstliche Blüten ihre Kreise zogen.
Es war einfach unglaublich gewesen, wie schnell diese aufgekreuzt waren, nachdem die erste Ambulanz mit Rotlicht hier eingetroffen war. Und diese war nicht die Einzige geblieben ...
Inzwischen standen vier Krankenwagen auf dem Platz und wartete die jeweilige Besatzung davor gespannt auf ihren Einsatz. Sogar ein Helikopter der DeMeKo hatte es hierhergeschafft, drehte er über ihren Köpfen seine Kreise und hoffte auf einen Grund zum Landen.
Augenblicklich kehrte die Reporterin Debbie Tyler Foxx von einem Schwätzchen mit den Hanse Security Leuten zurück, während dem sie den Zuschauern der WELT im FOKUS die robotartigen Feuerwehrleute nähergebracht hatte.
Sie summte die Melodie eines bekannten Ruhrmetall-Werbe-Jingles vor sich hin, dass im Moment auf dem Sender lief.
In ihrer umwerfenden Abendgarderobe bewegte sie sich wie auf Wolken.
Hans Ulrich Kiemenauer, der mit offener Autotür im Beifahrersitz eines Toyota UE seiner Firma sitzend ein AR-Meeting durchführte, schien ebenso in seinem Element zu sein.
Aber auf einer ganz anderen Art und Weise.
Denn es ging sehr wahrscheinlich darum, wie man diesen impertinenten Schattenläufer - also ihrem Team - jegliche Schuld am tobenden Feuer in die Schuhe schieben konnte.
Ganz im Gegensatz zu dem Knight Errant Offizier, der sich in der Zwischenzeit vor ihnen aufgebaut hatte.
Dieser sah wie ein Familienmensch aus, der sich Monate lang auf das heutige Familientreffen gefreut hatte, um sich dafür seit Stunden mit inkompetenten Vorgesetzten, tölpelhaften Untergebenen und Leuten wie ihnen herumschlagen zu müssen. „Ich kenne euch Payase nur allzu gut und es wird endlich Zeit, dass man euch aus dem Verkehr zieht.“
Er schien, an ihnen zwei die Richtige gefunden zu haben, um endlich Dampf abzulassen.
Da er hierbei hauptsächlich Janus anfuhr, fühlte sich Ocho nicht so direkt betroffen.
Er betete seinerseits, dass man die humanoiden Drohnen endlich ins Feuer schicken möge. Denn die ganze Zeit hatte er ein unheimliches Kratzen im Ohr, dass er unterschwellig über seine Hufe spürte. Als möchte ihn damit sein Verstand schon auf den Fund der verkohlten Leichen seiner Freunde vorbereiten.
„Ist euch eigentlich klar, was hier los ist?“ Fauchte sie der Offizier an. „Ihr habt zwei Menschen in den sicheren Tod geschickt. Himmelherrgott, dies hier ist nicht Orks, die durchs Feuer gehen, dies hier ist die gottverschissene Realität. Niemand mit auch nur einem Fünkchen Verstand riskiert so etwas. Was habt ihr euch bloß dabei gedacht?“
„Jemand musste es tun.“ Antwortete Janus trocken.
Der Offizier sprang ihm förmlich ins Gesicht. „Na und? Selbst wenn ihr Payase recht hättet. Jeder der in fremdes Eigentum einbricht, muss auch mit den Konsequenzen seiner Taten leben. Basta! So ist das Gesetz hier. Diesen Riesenzirkus hier aber für eine Familie SIN-loser Randständiger abzuziehen, die hier nichts zu suchen haben, ist absoluter Bullshit!“
Er zeigte auf die Menschentraube, die sich außerhalb der Abgrenzungen gebildet hatte und auf die Feuerwehrleute, welche die letzten Handgriffe an den Ruhrmetall Protector ausführten oder mit ihren Schläuchen weiterhin gegen den Großbrand ankämpften. Vor allem die Ambulanzen waren ihm ein Dorn im Auge.
„Beim Ares Brand hat es sogar Schwerverletzte gegeben. Aber wir haben es professionell hingebogen und sind endlich Heer über der Lage. Kein solch absoluter Schwachsinn wegen einigen bescheuerten Vollidioten. Wisst ihr, wie vielen Leuten ihr hier das Weihnachtsfest vermiest? Und nur, weil ein Säuferkumpel von euch einen Geist gesehen hat und jetzt glaubt, das wäre ein Kleinkind, dass bereits schon in der Lage sei astral zu projizieren? Und eure Magierin musste natürlich auch mit rein in das Flammeninferno!“
Gerade war Debbie Tyler Foxx zu ihnen gestoßen, als er sich aggressiv zu ihr herumdrehte. „Haben sie das mitbekommen?“
„Jedes einzelne Wort.“
„Gut!“
Er holte tief Luft. „Ich weigere mich einfach, zu akzeptieren, dass eine Handvoll dahergelaufener Fürze innerhalb von weniger als einer Stunde ...“
Mehrere gewaltige Explosionen erschütterten plötzlich die hintere Werkhalle der brennenden Anlage und schickten die meisten Feuerwehrleute in Deckung. Verunsichert wichen auch die Zuschauer zurück, schlug Hans Ulrich Kiemenauer hastig die Autotür zu.
Sogar der Helikopter gewann Abstand, während die Explosionen hörbar und sichtbar mehrere Schockwellen durch die davor liegende Speditionshalle jagten. Bis deren Dach mit Getöse einbrach und die Vorderfront krachend mit sich riss. Nur noch die ineinander verkeilten und verbogenen Flügel des Eingangstores blieben schließlich als schreckliches Mahnmal stehen.
Entgeistert starrten alle die brennenden Ruinen an, aus denen es nunmehr keinen Ausweg mehr gab. Selbst Debbie Tyler Foxx fehlten jetzt die passenden Worte.
Und auch Ocho spürte das gespenstische Kratzen nicht mehr.
Es war wohl so weit.
Während er sich auf das unausweichliche vorbereitete, verhöhnte ihn sein Gehirn jetzt mit der Illusion, dass er so was wie Debies Todesschrei vernahm. Seine Knie begannen zu zittern. Und es lag nicht an der Kälte, sondern an seinem Widerwillen, die Gewissheit ihres Ablebens zu akzeptieren.
Ihr Schrei gewann an Intensität, wurde immer lauter und klang plötzlich nicht mehr wie ein Hirngespinst. Es war auch nicht ein Schmerzensschrei.
Das ... war ...
WUT!
Mit einem ohrenbetäubenden Donnerknall explodierten die brennenden Trümmer vor der Speditionshalle, stoben funkensprühend wie ein eindrückliches Feuerwerk auseinander und verteilten sich als heftiger Schutt- und Feuerregen über den ganzen Platz.
Alle duckten sich in Sicherheit.
Außer Janus, der langsam die Hände hinunternahm und in die mächtige Staubwolke starrte, die der Explosion folgte und sich komplett über den Platz wälzte.
Er lächelte.
„Was zur ...“ Stammelte der kniende Offizier neben ihm.
„Genau das ... genau dort!“ Antwortete ihm der Elf beeindruckt.
Feuerzungen schossen nun durch den Rauch, fegten die letzten Trümmer aus dem Weg oder verbrannten diese bis zur Unkenntlichkeit, während sie mächtige Klauen bildeten, mit denen sie die zerstörten Hallenwände weiter auseinander drückten. Irgendwie konnte man spüren, dass die Feuerelementare am Ende ihrer Kräfte waren.
Wieder setzte das unheimliche Kratzen von Blech auf Beton ein, dass Ocho schon zuvor gespürt hatte. Bis sich ein imposanter, schwarzer Block aus dem Rauch löste und sich einige Meter weit auf den Platz vor der Halle schob.
Alle hielten die Luft an.
Ein Lichtkegel zündete nun vom Himmel und hüllte der Suchscheinwerfer des DeMeKo-Helikopters das Ding in grelles Licht ein.
Vereinzeltes Klatschen ertönte.
Tobi und Mark eilten augenblicklich herbei und wischten mit ihren Feuerkrallen die letzten brennenden Trümmer von den feuerfesten Planen, die das Gebilde einhüllten.
Im Scheinwerferlicht war klar und deutlich auszumachen, dass es sich hierbei um zwei schaufelförmige, modulare Schutzdeckel von Wartungs- und Geräteschuppen größerer Industriedrohnen handelte, die ineinander verkeilt worden waren. An beiden ragten wie organische Äste die abgerissenen Verstrebungen und Metallhalterungen hervor, mit denen sie im Mauerwerk verankert gewesen waren.
Eine unheimliche, erwartungsvolle Stille war unter den Leuten eingekehrt, als der wüste Schrei eines Trolles diese durchbrach und das Gebilde, welches keinen Boden besaß, sich einen halben Meter weit in die Höhe erhob. Ein elektronisches Geräusch erklang ebenso, als würde ein Magnet ausgeschaltet.
Dann fielen die zwei Trapezblech-Schutzdeckel auseinander, knallten auf den Platz und öffneten sich dabei wie eine Baggerschaufel. Die schützenden Planen, welche es zusammengehalten hatten zerrissen und wirbelten in Fetzen davon.
Vielen Anwesenden war es, als hörten sie nun ein unendlich erleichtertes Seufzen, das von der Luft in den kühlen Nachthimmel getragen wurde.
„Danke Elsbeth.“ Murmelte Ocho.
Unter dem aufbrausenden Applaus der zuschauenden Menge kamen zwischen den Schutzdeckeln vier Personen und ein unförmiger Lagerwagen zum Vorschein, der komplett mit Decken verkleidet und praktisch so hoch wie der Troll war, der diesen vor sich hingeschoben hatte.
Während jetzt die Sanitäter in ihre Richtung losrannten, löste Old Man die Axt vom Stahlblech und musste sich darauf abstützen. Ihm war schwindlig und er fühlte seine Beine nicht mehr. Darüber hinaus surrten seine Hörner, mit denen er das Gebilde abgestützt und deren Spitzen geschmolzen und verkohlt waren, immer noch heftig.
Debie ihrerseits trat schwankend einen Schritt beiseite und ließ dem sie begleitenden Ork den Vortritt, der seine bewusstlose Frau in Armen trug und mit einer Kette den Lagerwagen an sich gebunden hatte. Zombiemäßig marschierte er weiter vorwärts, schaffte aber trotz der unzähligen Stim-Patches die seine unbedeckten Körperstellen bedeckten nur noch wenige Schritte, bevor zwei Orksanitäter ihn auffangen konnten. Vorsichtig nahmen sie ihm die Frau ab.
Nachdem sie sicher waren, dass es dieser dank der Sauerstoffmaske die sie trug, gut ging, wandten sie sich dem Ork zu. Doch dieser ließ sie erst an sich heran, als er einen von ihnen dazu bringen konnte sich des Wagens anzunehmen, an den er sich gekettet hatte.
Der Sanitäter riss die kaum noch feuchten Decken von diesem herunter.
Und praktisch jeder Anwesende hielt die Luft an.
Auf den drei Etagen des Wagens verteilt, knieten und lagen über ein Dutzend Gnome. Die meisten von ihnen trugen ihre Aztechnology Arbeitsuniformen. Einige waren bereits schon bewusstlos, schienen vereinzelte sogar komatös zu sein, während die Mehrzahl jetzt einfach nur noch nach Luft schnappte. Wenige klammerten sich an Notsauerstoffbehälter und verteidigten diese mit Händen und Zähnen. Und alle wiesen Verbrennungen auf. Kindergeschrei erklang zwischen ihnen.
Ohne einen Atemzug zu zögern, pflückten die Rettungsassistent sie heraus und riefen sowohl die Feuerwehrleute der Hanse Security wie auch die Gardisten von Knight Errant zu Hilfe. Mit vollgepackten Armen rannte ein jeder von diesen zurück zu den Ambulanzen.
Als einer der Knights an Debbie Tyler Foxx vorbeistürmte, meinte er zu dieser. „Ich glaube, wir haben zu wenige Krankenwagen.“
Worauf die Brünette ihren Blick gen Himmel wendete und den Helikopter der DeMeKo fixierte. Sie grinste.
Mit zittriger Hand löste währenddessen Debi Owens den Verschluss ihres Helmes, wuchtete diesen hoch und ließ ihn zu Boden fallen, mit der Linken eine umgebundene Babytasche weiterhin fest an sich drückend.
Ihr Gesicht war leichenblass und komplett aufgequollen, von einem dicken Schweißfilm überzogen. Frisches Blut rann ihr nun zuerst aus einem, dann aus dem anderen Nasenloch, als ihr linkes Lid unkontrolliert zu zucken begann.
Heftige Krämpfe schüttelten sie ebenso, musste sie knirschend die Zähne zusammenbeißen, als sie dagegen ankämpfte. Doch auch diesen Entzug rang sie nieder, blieb sie zu ihrer eigenen Überraschung bei Bewusstsein.
Während sie nun mit blutunterlaufenen Augen hochsah, drückte ihre Haltung einen einzigartigen Stolz aus. Und sie strahlte über das ganze Gesicht, als feiere sie gleichzeitig Geburtstag und Weihnachten, als sie jetzt das mehrfache Miauen aus der Babytasche in ihrer Hand vernahm.
Old Man seinerseits hielt sich nur noch dank seiner Feuerwehraxt auf den Füssen, schmerzten ihm sogar Muskeln, von denen er nicht gewusst hatte, dass er sie besaß.
Als jetzt die Rettungshelfer bei ihm eintrafen, streckte er ihnen seinen organischen Arm entgegen und zerriss hierbei die Seile, die diesen gegen seinen Körper gepresst hatten. Vorsichtig schälte er nun eine ältere Orkfrau aus den Decken, die er gehalten hatte und legte diese auf die Bahre, die man ihm entgegengebracht hatte.
Während die Sanitäter ihren Zustand überprüften und ihr eine neue Sauerstoffmaske anlegten, riss sich der Troll mit den Zähnen den Handschuh von der Hand und griff zum Bündel, der die alte Trolldame bei sich trug. Zärtlich schob er hier die Decken beiseite, bis er das kleine Orkmädchen frei gelegt hatte und mit dem nackten Finger ihre Wange berührte. Sie schlief friedlich und atmete ganz normal. Die Gewissheit, dass sie Leben würde, erfüllte ihn jetzt mit einer einzigartigen Wärme, die ihn alle überstandenen Quallen und Schmerzen vergessen ließ.
„Alsatia wird dir ewig dankbar sein!“ Meinte die Großmutter des Mädchens in gebrochenem Deutsch.
Robin Warden Cusack lächelte nun wie ein Idiot, als er die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte.
„Ein wunderschöner Name!“
Und in dieser einen Nacht, strahlten die Sterne so hell wie noch nie für ihn.