Autorin: Melanie Helke
Deister-Winterfest
Im Dezember erstrahlt die Deister-Tierwelt, der beliebte Tierpark in der Nähe von Hannover, in blau-silbrigem Licht. Die Gehege, Tierhäuser und alle Gebäude sind mit Lampen geschmückt, elektrische Fakeln beleuchten die Wege und die zu wählenden AR-Themen bringen Schnee und gedämpfte Farben – oder auch klassische Weihnachtslieder im Wechsel mit den eingespielten Soundeffekte. Das sonst auf die jeweiligen Standorte abgestimmte Angebot in Souvenirläden, Gastronomie und Co ist durch winterliche Klassiker ergänzt. Es gibt warme Soy-Schokolade und Vanillin-Puffer, Winterkleidung und rotnasige Rentiere, extra aufgestellte Zusatzstehtische mit künstlichen Kerzen und versprühtes Tannenaroma.
Mehrere Winter-Sonderstände in Holzhüttenoptik sind um die größeren Tierhäuser gruppiert und bieten als "Winterhandwerkerdorf" die übliche Weihnachtsmarkt-Massenware an: Plastik-Stern-Anhänger, Laserschnitt-Handwerk, Kerzen oder flauschige Pullover.
An den Wochenenden wandern als Weihnachtsfiguren verkleidete Mindestlohn-Arbeitende durch den Park und beschenken Kinder mit Rabattgutscheinen und den abgestandenen Resten der letztjährigen Quengelware. Was regelmäßig groß in Werbung und Sozialen Netzwerken ausgeschlachtet wird. Schließlich wirkt es besonders herzensgut vom Park, wenn mehrere Busladungen "Kinder aus schwierigen hannöverschen Verhältnissen" auf Kosten der Tierwelt einen schönen Tag mit Tieren und Winterflair verbringen dürfen. Nach dem letztjährigen Eklat, bei dem eine Reporterin herausbekam, dass den Kindern vor Ankunft die Jacken weggenommen wurden, um "bedürftiger" auszusehen, werden die Pressemitteilungen allerdings doppelt überprüft. Keinen fremden Menschen wird Zugang zu der Gruppe gestattet.
Zu den Ehrengästen des Winterfestes gehören regelmäßig Politiker*innen der nahen Hauptstadt und viele Stars, die etwas Werbung für sich brauchen und dafür sogar mit der vom Sponsor rausgeputzten Familie kommen. Denn die Tierwelt ist sehr gut darin alles zu promoten, was ihnen Aufmerksamkeit bringen kann. Gerüchten nach wird beim Eingang bereits überprüft, ob ein Gast einflussreich genug für eine Nachricht oder gar Sonderbehandlung ist.
Weil das Winterfest so beliebt ist, bilden sich gelegentlich lange Schlangen vor dem Eingang und mehrere der beliebten Restaurants vergaben nur mit langer Voranmeldung die Tische. Gerade die Winterbrunch- oder Wildbuffet-Termine sind meist Wochen vorher ausgebucht. Dabei gibt es im Dezember 30% Aufschlag auf die Speisen – sparen kann man höchstens noch im Kombiangebot mit Eintritt, Wildbraten-Menü und Rotwild-Streichel-Besuch. Nach einigen tragischen Szenen mit kleineren Kindern ist die Altersgrenze jedoch auf 12 hochgezogen worden.
Runaufhänger:
- Auf Anfrage einiger Naturschützer soll, unterstützt von Politiker Hasso Meierich, ein Mindestabstand für Marktstände und Außengastronomie zu Tiergehegen unter einer bestimmten Größe eingerichtet werden. Die Betreiber der Tierwelt sind nicht begeistert und wollen, dass jemand kurzfristig die Meinung Meierichs ändert.
- Großmutter Isolde hat genug und möchte ihren Enkel zu sich holen und ihr ist egal, was die Eltern davon halten. Am Wochenende ist der sonst kaum außer Haus zu findende Junge mit Betreuungspersonal in der Tierwelt. Isolde hat für die Runner schon Jobs als Weihnachtselfen besorgt, damit sie ihm einfacher nahe kommen können.