Autor: Daniel Jennewein
36 (2W6) Dinge, die einem Schattenläufer in der Weihnachtszeit passieren können
1. Dein Schmidt hält es für eine ausgezeichnete Idee, dass ihr den kommenden Run als Weihnachtselfen verkleidet durchführt.
- Ihr geratet prompt an eine Jugendgang, die euch aufmischen will. Verdammt, die Strumpfhosen dürfen nicht reißen! Und Blutflecken bekommt man doch so schlecht aus den Samtjäckchen raus.
- Die Fahrt zum Auftragsort mit der U-Bahn wird legendär! Eure Messerkralle ist nur mit Mühen von einem Tobsuchtsanfall abzuhalten, ihr seid das Gespött der Linie 2. Leute schütteln den Kopf, muss sowas wirklich schon im Oktober sein?
- Es wird nicht so schlimm wie es den Anschein hatte, die Leute in der Großstadt ignorieren euch. Ein wenig traurig ist es schon: Ist denn niemand in Weihnachtsstimmung?
- Die Verkleidung war absolut passend gewählt, sie erleichtert euch die Infiltration ungemein: Ihr wurdet noch nie von der Security mit einem Lächeln hereingebeten!
- Die Fahrt zum Auftragsort wird legendär! Ihr fallt zwar auf wie bunte Hunde aber eure Verkleidung sorgt selbst im Feierabendstau für gute Laune: Autos hupen, Frauen werfen euch ihre Komlinknummern zu, ihr startet den Run in bester Laune!
- Eine Gruppe Kinder aus der Nachbarschaft bekommt leuchtende Augen ob eurer Verkleidung, Eltern haben Tränen in den Augen, es kostet euch nur wenige Minuten aber danach seid ihr die Helden eures Kiezes für die nächsten Tage!
2. Eure Zielperson hat sich als Weihnachtsmann verkleidet
- Gerade als euer Sam ihm seine Faust auf die Nase setzt, und ihr ihm das Tranqpatch in den Nacken klatschen wollt, biegt eine Kindergartengruppe um die Ecke. Jetzt dürft ihr den Kleinen erklären, warum ihr den Weihnachtsmann verprügelt. In der Ferne erklingen die Sirenen, Aufnahmegeräte werden gezückt. Abends seht ihr euch in einer Trid-Show…
- Die Zielperson verdingt sich als Kaufhaus-Animateur. Wenn sein Verschwinden nicht auffallen soll, muss jemand seinen Job für den Rest der Schicht übernehmen! Rein ins Kostüm und freundlich lächeln!
- Traurig aber wahr: Als ihr den Santa Claus in euren Wagen zieht, lacht die Jugendgang an der Ecke nur dreckig. Niemand hilft dem Bärtigen. Die Fahrt zum Schmidt verläuft schweigend, verdammte sechste Welt…
- Euer Münchner Schmidt rät euch die Extraktion als Krampus durchzuführen. Als ihr den Santa in euren Kostümen entführt, johlt die Menge und hält es für eine gelungene Show. Die Security feuert euch an und leiht euch lachend ihre Plastikbinder. Und verdammt, die Masken sehen ziemlich beeindruckend aus. Gibt es die auch mit ballistischem Schutz?
- Wie sich herausstellt, war eure Zielperson ein ganz übler Finger der Familien um ihre Geschenkeinkäufe erleichterte. Wer immer hinter dem Run steckt, am Abend seht ihr eure Zielperson als überführt und verhaftet im lokalen Trid. Hunderte Familien erhalten Diebesgut zurück. Niemand weiß das ihr Weihnachten gerettet habt aber das Gefühl innen drin kann euch keiner nehmen!
- Die Zielperson hat sich echt Mühe gegeben mit ihrer Verkleidung: Als ihr seine Sachen durchgeht, findet ihr heraus, dass sein Sack voller Geschenke war! Das örtliche Jugendzentrum wird sich sehr freuen und die Nachbarn finden die Idee äußerst respektabel und laden euch prompt auf nen Bio-Glühwein ein. Auf die Nachbarschaft!
3. Euer Run führt euch auf einen Weihnachtsmarkt
- Eine Gruppe Execs im Glühweinrausch sucht Stress und pöbelt euch an. Ihr dürft nicht auffallen und müsst gute Miene zum bösen Spiel machen. Wer hatte die Idee, den Glühweinstand als Observationsposten zu mieten? Ihr könnt mit Müh‘ und Not eine körperliche Auseinandersetzung vermeiden. Nicht nur eure Messerklaue ist auf 180.
- Inmitten des Gedränges werdet ihr ausgerechnet von einem Weihnachtself bestohlen! Das billige Einweg-Komlink ist nicht viel wert aber verdammt noch mal eure einzige Verbindungsmöglichkeit zum Schmidt. Findet den Elf!
- Es ist die Hölle! Niemand will hier sein, alle sind gestresst und aggressiv. Die sechs! Stunden Observation inmitten dieser Konsumhölle verderben euch die Weihnachtsstimmung für die nächsten Tage gründlich.
- Für solche Observationen werdet ihr gerne bezahlt. Der kleine Markt ist gemütlich, der Bio-Glühwein lecker und der Schmidt hat euch ordentlich Spesen eingeräumt. Wer holt noch eine Runde gebrannte Mandeln?
- Der Weihnachtsmarkt ist offenbar ein Geheimtipp in der Schattencommunity: Ihr trefft die örtliche Fixerin am Glühweinstand, an der Losbude läuft euch ein Schmidt über den Weg und hat gleich nen lukrativen Run im neuen Jahr für euch und vom Zuckerwatteverkäufer winkt die nette Infobrokerin von den Likedeelern euch freundlich zu. Alle sind wie verwandelt und verzichten auf das übliche Machogehabe. Der Duft, die Musik, die lachenden Augen verbreiten vorweihnachtliche Stimmung der sich niemand entziehen kann. Zeit für Connectionpflege in tollem Ambiente!
- Bei der großen Konzern-Tombola gewinnt ausgerechnet ihr eine Weihnachtsfeier eines örtlichen Edel-Caterers für 200 Personen. Die werden Augen machen, wenn ihr ihnen die Adresse vom örtlichen Jugendzentrum bei euch im Kiez gebt. Ob die auch in eine SVZ liefern? Wenn ihr das daheim erzählt, sind die Lokalrunden für die nächsten Wochen gesichert!
4. Euer Kiez/Lebensstilnachbarschaft erwartet von euch, dass ihr dieses Jahr die lokale Weihnachtsfeier ausrichtet.
- Desaster mit Ansage: Ihr habt den Termin vollkommen vergessen und genau eine Stunde Vorbereitungszeit? Wie sollt ihr das schaffen? Und genau heute überlegt sich die Gang aus der Nachbarschaft, dass es ein guter Abend wäre um die Reviergrenzen neu auszuhandeln…
- Stell dir vor, es ist Weihnachten und keiner geht hin: Ihr habt euch echt Mühe gegeben aber außer ein paar Squattern kann sich niemand für eure Feier erwärmen. Nun sitzt ihr auf 300 Litern Glühwein und 50 gebratenen Soy-Gänsen. Habt ihr etwa eure Connections so vernachlässigt in letzter Zeit?
- Die Vorbereitungen bescheren euch eine Woche lang absoluten Stress. Alles läuft schief was schief laufen kann und als der Abend der Party kommt, seid ihr groggy, müde und völlig durch. Noch ein paar Stunden durchhalten und dann schlaft ihr durch bis Neujahr. Nächstes Jahr fliegt ihr im Dezember auf eine Südseeinsel!
- Die Feier wird nett. Ihr trefft ein paar alte Bekannte und eure Nachbarn zollen euch Respekt, dass ihr euch nicht gedrückt habt. Der Straßendoc um die Ecke räumt euch für eure Hilfsbereitschaft beim nächsten Besuch einen Rabatt auf Drogen und Medikamente ein.
- Die Feier wird der Hammer und ist noch bis ins neue Jahr DAS Gesprächsthema im Kiez. Alles läuft absolut harmonisch: die örtliche Gang und der verfeindete MC verbrüdern sich zu einer Allianz und der Straßendoc pimpt den Punsch. Was für ein Rausch, ihr hört die Engel singen!
- Träumt ihr? Schon Tage vorher werdet ihr von euren Connections überrannt, die sich anbieten euch zu helfen. Der Fixer hat da ne Wagenladung Glühwein, die Infobrokerin kennt da nen tollen Gospelchor der gerne seine Probe in euer Jugendzentrum verlegt. Syndikate und Gangs wollen Imagepflege betreiben und sich für die pünktlichen Schutzgeldzahlungen bedanken. Ihr könntet glatt zwei Feiern ausrichten und müsst kaum etwas tun. Ein Weihnachtsmärchen!
5. Es ist der 24. Dezember. Der Konzernclient eures Lieblingsschmidts/Fixer braucht für seine Tochter die neue Aurelia Armageddon Actionfigur. Bis 17 Uhr. Versaut das bloß nicht!
- Dieser Tag wird sich in euer Gedächtnis brennen und euch vielleicht Weihnachten für den Rest eures Lebens verderben. Ihr gebt alles! Überzieht das Spesenkonto. Fordert Gefallen ein. Seid so oft so kurz davor. Ihr hängt euch richtig rein. Um 16:55 steht ihr mit der Actionfigur vor dem Haus des Execs. Die Sirenen der Konzernsicherheit werden lauter, ihr habt auf alle Verkehrsregeln gepfiffen. Der Exec überreicht seiner kleinen Tochter freudestrahlend die Puppe. Es ist die Falsche! Die hat er ihr doch letztes Jahr schon geschenkt! Der gestresste Papa hat’s versaut und all‘ eure Mühen waren umsonst.
- Schnell stellt sich heraus, dass es noch genau eine Actionpuppe bei einem Fixer gibt. Mit euch gibt es noch zwei Interessenten: Ein Vater aus der Nachbarschaft den ihr flüchtig kennt und einen Angestellten des örtlichen Syndikatsbosses. Euer Spesenkonto ist prall gefüllt, aber ihr müsst euch entscheiden: Entweder ihr enttäuscht euren Lieblingsschmidt/Fixer oder bringt das örtliche Syndikat gegen euch auf. Und den armen Vater werdet ihr wohl so oder so um ein glückliches Weihnachten bringen. Scheiß Kommerz! Ein Dilemma!
- Verfluchte Aurelia Armageddon! Die Puppe ist nirgendwo zu finden. Ihr teilt euch auf, klappert Geschäfte ab, euer Decker grast die Matrix ab. Am Ende eines anstrengenden Tages findet ihr einen schmierigen Zwischenhändler der auf einer ganzen Wagenladung der dummen Spielzeuge sitzt. Seine Forderung ist absurd. Angebot und Nachfrage. Mit viel Verhandlungsgeschick eures Faces kommt ihr am Ende auf eine schwarze Null. Außer Spesen nichts gewesen!
- Milkrun! Wie sich herausstellt hat der Exec und auch euer Schmidt/Fixer keine Ahnung vom Markt für Actionpuppen. Die Regale sind prall gefüllt und ihr düst gemütlich in die Nullzone zur Übergabe. Ihr könnt euch nicht erinnern, wann ihr das letzte Mal so leicht euer Geld verdient habt.
- Was für ein Ritt. Das war der spannendste, aufreibendste Run der letzten Monate: Ihr habt euch mit Furien im Kaufhaus geprügelt, hattet eine Verfolgungsjagd mit einer yakuza-nahen Go-Gang und hättet euch beinahe eine Schießerei mit der Konzernsicherheit geliefert. Als ihr die Puppe um 16:59 Uhr übergebt fühlt ihr euch wie ein Stadtkriegsspieler beim entscheidenden Tor!
- Wie 5, nur noch viel absurder, tödlicher, spannender und grotesker. Am Ende erfahrt ihr, dass alles ein groß angelegter Betrug all eurer Connections war, um euch das wahnsinnigste Weihnachtsgeschenk eures Lebens zu machen. Der vermeintliche Exec ist euer Lieblingsschmidt/Fixer und bei ihm daheim steigt eine Riesenfeier mit all‘ euren Connections! Was für eine Überraschung! Ihr habt die besten Chummer der Welt!
6. Euch läuft eine volltrunkene Gruppe Execs über den Weg, die sich auf ihrer Weihnachtsfeier scheinbar verlaufen haben.
- Ach verdammt, die vermeintlichen Execs stellen sich als professionelle Konzernsicherheit heraus. Sie sehen zwar in ihren hässlichen Strickpullover absolut lächerlich aus aber die Betaware-Synapsenbeschleuniger funktionieren auch volltrunken erschreckend gut.
- Die Manager haben Schrottwichteln zelebriert: Du erhältst einen Schokobrunnen, eine Sammlertasse Desert Wars 76, einen pflegeleichten Kaktus, ein defektes Einweg-Komlink…
- Die Oberschicht ist auf Sozialsafari und absichtlich in eurem Kiez. Ihr fühlt euch wie Affen im Zoo und überlegt euch, ob ihr euch nicht doch mit den stocknüchternen Aufpassern der Schlipse anlegen sollt, um diesen Arschlöchern eine Lektion zu erteilen.
- Ihr führt die Gruppe in einen Syndikatsschuppen, sie werden ausgenommen und ihr am Gewinn beteiligt. Business as usual. Aber irgendwie will da keine rechte Weihnachtsstimmung aufkommen…
- Ihr lotst die betrunkenen Manager zusammen mit einer passenden Connection in einen Rotlichtclub eines befreundeten Syndikats/Gang. Die Manager haben einen guten Abend und laden euch ein als ihr schon gehen wollt. Das wird eine Sause nach eurem Geschmack! Und die Gesichter der Schlipse beim Betrachten der absurd hohen Rechnung ist die Krönung.
- Ihr lotst die Manager in euren Kiez. Ihr wisst doch wo die besten Kneipen sind! Die AAA-Clique trinkt wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem Leben Soybier und man ist begeistert vom rauen Flair der Unterschicht. Ist das ein Weihnachtsmärchen oder hat der Schlips gerade mit der dicken Erna von der Trinkhalle Bruderschaft getrunken? Morgen wacht ihr wahrscheinlich alle mit einem ordentlichen Kater in euren grundverschiedenen Welten auf aber für diese eine Nacht verschwimmen die Grenzen. Und vielleicht bleibt ja doch etwas hängen von der Verbrüderung? Man wird ja wohl noch träumen dürfen.